Naturschutzarbeit als Durchsetzungsakt
Montag, 07. Juni 2004 17:49
Alter: 21 Jahre



Kategorie: Natur- und Umweltschutz


Naturschutzarbeit als Durchsetzungsakt

1. Naturschutz in Duisburg: nur klassische Aufgaben?

Zweifellos sind in der Stadt Duisburg auch die klassischen Aufgaben des Naturschutzes zu bewältigen, also „ ... z. B. Biotoppflege, Kartierungen, Öffentlichkeitsarbeit, Dia-Vorträge und Exkursionen." [Hinke 2004]. So ist beispielsweise das Erfasssen der Wildgänse-Bestände im Spätherbst/Winter jeden Jahres eine wichtige Naturschutzaufgabe [Pfeffer 2004].

Aber diese Aufgaben sind hier zu erfüllen unter den besonders erschwerten Bedingungen eines industriell hochverdichteten Raumes. Es gilt also vor allem gegen die Ansprüche nach noch mehr Gewerbe- und Industriegebieten, nach mehr und größeren Verkehrsbauten, nach Ausweis von Wohngebieten usw. die letzten noch halbwegs naturnahen Flächen für den Naturschutz zu erhalten. Es ist somit Naturschutzpolitik insbesondere in die Struktur- und Wirtschaftspolitik einzubringen. Dabei ergeben sich erhebliche Nutzungskonflikte, die nur im Verbund einer projektiven und prospektiven Natur- und Umweltschutzpolitik erfolgversprechend bewältigt werden können.

2. Naturschutz in intensiv genutzten Landschaften

Naturschutz in intensiv genutzten, dicht besiedelten und zusätzlich noch degradierten Landschaften erweist sich als besonders schwierig. Naturschutzbelange lassen sich dort in das politische Handeln nur erfolgreich einbringen, wenn sie rechtzeitig und druckvoll vorgetragen werden. Ein derartiger Naturschutz ist nur so weit erfolgreich, wie er den Umweltschutz integriert. Einige aktuelle Fallbeispiele verdeutlichen das Anliegen.

 

Fallbeispiel „Landstraße L 473 n"

Bekanntlich wurden die 260 Hektar des ehemaligen Krupp-Geländes am linken Rheinufer in Duisburg-Rheinhausen als Logistik-Zentrum („logport") umgewidmet. Tausende Schwerlaster quälen sich seitdem durch die Rheinhausener Straßen zu den sechs Autobahnen auf Duisburger Boden. Die neue Landstraße L 473 n wird als Krefelder Autobahnzubringer (A 57) über Kaldenhausen und Hohenbudberg das Logport-Gelände anbinden. Um eine halbwegs naturverträgliche Trassenführung wurde lange Zeit gestritten. Von NABU als Organisation war hierzu wenig zu vernehmen. Wichtige naturschutzförderliche Ausgleichsmaßnahmen wurden von anderen Interessierten erstritten [Schneiders 2004 a].

Hingegen hatten die Vertreter der Altparteien sogar keine Probleme mit einer Trassenführung durch die Rheinaue [Lachniet 1989].

Fallbeispiel „Osttangente"

Den Logistik-Unternehmern auf Logport reichte aber das mehr als 50 Millionen Euro teure L 473 n-Projekt nicht. Sie fordern zusätzlich eine „Osttangente" in Nordrichtung über den Deich des Rheinvorlandes zur Rheinbrücke der Solidarität (eine Fortführung der Trasse nach Norden direkt zur A 40 Venlo-Duisburg wird bereits erörtert!). Dass hier Landschaftsteile von hohem ökologischen Wert geschädigt werden, scheint die Altparteien-Vertreter nicht zu stören [Bürgerinitiative 2004]. Auch die Blockierung des direkten Rheinzuganges für die Bürger wird den Unternehmerinteressen geopfert.

Das Umweltforum Duisburg und der BUND wehrten sich schon frühzeitig gegen diese Pläne [Umweltforum 2000]. Da ist es jammerschade, dass künftig am gleichen Rheinufer die NABU-Aktion „Lebendiger Rhein" mit ihrem Rückbau der Uferbefestigung [Girschik 2003] für Besucher kaum noch zugänglich sein wird.

Fallbeispiel „Zugang zum Rhein und Deichsanierung"

Ein neuer Zugang vom Logport-Gelände zum Naturschutzgebiet Rheinaue Friemersheim sorgt im Frühjahr 2004 für Zwist [Schneiders 2004 b]. Der BUND protestiert [halala 2004]; vom NABU war zumindest in den Medien nichts zu sehen.

Seit Jahren ist bekannt, dass u. a. der Deich in der Rheinaue Friemersheim erneuert werden muss [Girschik 2001; Corte 2004]. Als Ausgleichsmaßnahme für den Bodenverlust durch den breiteren und höheren Deich wird im Rheinvorland der kanalisierte Kuppengraben renaturiert. Erst mit dem Anlaufen der Bauarbeiten regte sich Widerstand [u. a. Girschik 2004]. Aus NABU-Kreisen war medienwirksam nichts zu vernehmen.

Fallbeispiel „Grünflächen Hochemmericher Markt"

Viele leerstehende Ladenlokale kennzeichnen den Kaufkraft-Niedergang Rheinhausens nach der Schließung von Krupp-Stahl. Gleichzeitig soll ein neues „Markt-Center" in einem der letzten innerstädtischen Grünflächen errichtet werden [Schneiders 2004 c]. Landschaftsbeirat, Bürgerinitiativen, Bündis 90/Die Grünen wehren sich gegen dieses unsinnige, den Grünraum zerstörende Projekt. NABU-Stellungnahmen in der Presse fehlen auch hier.

Exemplarisch stehen diese aktuellen Fallbeispiele für viele ähnliche Konfliktfelder des Naturschutzes in intensiv genutzten Landschaften.

3. Naturschutz in dicht besiedelten, teilweise degradierten Landschaften

Das Stadtgebiet Duisburgs wird intensiv von Menschen genutzt. Die Flächen sind dicht besiedelt, häufig noch zusätzlich degradiert. Da wird Naturschutzarbeit über den Balanceakte zwischen den unterschiedlichen Nutzerinteressen hinaus zu einem Durchsetzungsakt, in dessen Verlauf erst der klassische Naturschutz greift. So ist das Aufhängen und Pflegen von Nisthöhlen für den Vogelschutz zweifellos hilfreich. Aber zuerst müssen die Naturschützer es durchsetzen, dass die Flächen vorgehalten, deren Baum- und Buschbestand geschützt werden, ehe die Nistkästen angebracht werden können. Insofern wird auch die NABU-Täigkeit vor Ort nur so erfolgreich sein, wie sie eine strategisch orientierte, projektive und prospektive Natur- und Umweltschutzpolitik mit gestaltet.-

Literatur

 

[Bürgerinitiative 2004] o. V.: Bürgerinitiative will am Rhein Natur und Menschen schützen - ... LKW-Osttangente ... . Wochen-Anzeiger 507/7, 21.04.2004

[Corte 2004] Corte, C.: Schutz vor Vater Rhein. Das Jahrhundert-Bauwerk. WAZ Nr. 113, 14.05.2004

[Girschik 2001] Girschik, Chr.: Neuer Deich steht fest und stark ... Baerl ... . WAZ
o. Nr., 02.01.2001

[Girschik 2003] Girschik, Chr.: Rhein baut seine Ufer selbst ... . WAZ Nr. 242, 18.10.2003

[Girschik 2004] Girschik, Chr.: Widerstand gegen den Deichbau ... Alternativ-Konzept ... . WAZ Nr. 118, 20.05.2004

[halala 2004] halala: Radweg zur Rheinaue Friemersheim umstritten - BUND protestiert ... . Wochen-Anzeiger 26 (28.04.2004) Nr. 34

[Hinke 2004] Hinke, J.: NABU Duisburg - Naturschutzarbeit als Balanceakt; Naturschutz heute / Naturschutz in NRW 15 (2004) 2, S. IV

[Lachniet 1998] Lachniet, M.: Auch Trasse durch Rheinaue ist denkbar - Anbindung der Krupp-Fläche. WAZ o. Nr., 11.08.1998

[Pfeffer 2004] Pfeffer, S.: Großer Zählappell für Walsumer Wildgänse. Wochen-Anzeiger 26 (14.04.2004) Nr. 30

[Schneiders 2004 a] Schneiders, Th. G.: L 473 n schafft ein Idyll. WAZ Nr. 98, 27.04.2004

[Schneiders 2004 b] Schneiders, Th. G.: Naturschützer bangen um Brut der Feldlerche -Rhein-Zugang ... . WAZ Nr. 94, 22.04.2004

[Schneiders 2004 c] Schneiders, Th. G.: Warenhaus weckt Beirat - Natuschutz ... Landschaftsschützer fürchten Zerstörung des letzten öffentlichen Freiraums in Rheinhausen-Mitte ... . WAZ Nr. 105, 05.05.2004

[Umweltforum 2000] Umweltforum: Autostraße durchs Rheinvorland Rheinhausen geplant. Brief des Umweltforums vom 05.07.2000. -

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Dateien:

20040607_naturschutzarbeit_als_durchsetzungsakt.pdf88 K

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