Staubbelastungen in Rheinhausen (Duisburg) - ein häufig heruntergespieltes Problem
Dienstag, 18. Juli 2006 18:50
Alter: 18 Jahre
Kategorie: Natur- und Umweltschutz
In den örtlichen Ausgaben der NRZ-/WAZ und der RP wurde im Juni 2006 zu den alarmierenden Meßergebnissen der Feinstaub-Messungen in Rheinhausen (Stüning-Kreuzung) berichtet. Vgl. u. a. WAZ Nr. 131 und RP Nr. 131/08.06.2006. Die Art und Weise, wie dort von Stadtverwaltung und von den herrschenden Stadtparteien mit den Messungen umgegangen wurde (Þ Abbruch der Messungen nach einer halbjährigen Meßzeit) und wie dies begründet und kommentiert wurde, macht erneut überdeutlich: a) Diese Stadt ist an der Gesunderhaltung ihrer Menschen nicht wirklich interessiert. b) Belange von Staub- und Schadstoffemittenden (Industrie, Lkw-Verkehr) gehen vor.
Die folgenden Quellen - von 1978 bis 2006 - verdeutlichen exemplarisch diese kritische Sicht.
Luft noch dreckiger als bisher angenommen? ... (G. Verstappen. RP Nr. 203/01.09.1978). Die Interessengemeinschaft für Umwelt- und Lärmschutz berichtet aus den Gesprächen im Arbeits- und Sozialministerium NRW: „Die eingerichteten Meßstellen erfassen die Umweltsituation noch nicht gründlich genug.“
Kinder in Gefahr - Rheinhausen hat die höchsten Bleiwerte! (G. Verstappen. RP Nr. 251/27.10.1978). Die Meßstation an der Grundschule Marktstraße zeigte „... die höchsten Bleiwerte im Raum zwischen Moers und Oberhausen ...“ an.
Auch für Duisburg ein Krebsregister. Luftbelastung spielt eine große Rolle. (G. Verstappen. RP Nr. 252/28.10.1978). „Nach Ansicht erfahrener Krebsforscher werden sechzig bis neunzig Prozent aller Krebse direkt oder indirekt durch toxische Substanzen aus unserer Umwelt verursacht, ...“.
Deprimierende Erkenntnis einer wichtigen Diskussion: Plötzlicher Fluorregen fällt in keine Tabelle. (zi-. NRZ Nr. 268/18.11.1978). „... auch das Weidegras im Rheinvorland ist teilweise erheblich fluorverseucht! In den statistischen Meßwerten der Landesimmissionsanstalt aber tauchen solche ‚plötzlichen Ereignisse‘ nicht auf.“
Umweltschützer zur Staub-Diskussion: Betreibt die Stadt ‚Umweltkosmetik‘? (hütt. NRZ Nr. 15/18.01.1980). „Die angegebenen Jahresmittelwerte sagen, ..., nichts über die zum Teil eklatant hohe Belastung in einzelnen Monaten und an bestimmten Tagen aus.“
Umweltschutz-Investitionen gefordert: Grüne beklagen hohe Bleiwerte in Friemersheim. (put. WAZ Nr. 290/13.12.1985). Und bei dem Schwermetall Cadmium wird in Friemersheim der Grenzwert fast dreifach (!) überschritten.
Alarmierende Werte in Friemersheim: Bleilast liegt Politikern schwer im Magen. (M. Plüm. NRZ/WAZ Nr. 55/06.03.1986). Weiterhin hohe Blei- und Cadmiumwerte.
Hohe Bleiwerte neben Berzelius: Verwaltung will Bodenbelastung monatlich messen. (kajo. WAZ Nr. 144/24.06.1987). Für gezieltere Verbesserungsvorschläge „..., schlagen die städtischen Chemiker eine Verdichtung der Meßstellen, monatliche Messungen und die Berücksichtigung der Wind- und Niederschlagsverhältnisse vor.“
Staub- und Bleibelastung der Luft nur geringfügig zurückgegangen. 87er „Belastungszahlen“ liefern kaum Argumente für Entsorgungsdiskussion. Experten: Für „Situationsbestimmung“ kleinräumigere Messungen notwendig. (mß. WAZ Nr. 215/14.09.1988).
Chemisches Untersuchungsamt legt Jahresbericht 1988 vor: Viel Blei belastet die Luft über Rheinhausen. (zi-. WAZ Nr. 270/19.11.1988). „Viel weniger erfreulich ist die Tatsache, daß ab sofort die Landesanstalt für Immissionsschutz die Messungen übernimmt. Unangenehme Folgen, so Dr. Schneider: Die Ergebnisse liegen später vor und sind nicht mehr nach Ortsteilen aufgeschlüsselt.“ (!).
Antrag im Umwelt-Ausschuß: CDU schlägt weitere Meßreihe vor. Fragen nach LIS-Bericht über Duisburgs schlechte Luft. (WAZ Nr. 3/04.01.1989). Der CDU-Sprecher Happel fragt: „Hält es die Verwaltung nicht für angebracht, 1989 eine ähnliche Meßreihe wie 1984 in Rheinhausen an einem anderen Standort durchzuführen, um weitere notwendige Aufschlüsse über vorhandene Ermittenten und ihre Belastungsfaktoren zu erhalten?“
Untersuchungsamt meldet neue Zahlen: Friemersheimer atmen weiter zuviel Blei. (zi/joe. WAZ Nr. 168/21.07.1989). Und wenig später zu Fragen nach den industriellen Verursachern antwortet der Leiter des Chemischen Untersuchungsamtes, Dr. Schneider: „Ich kann aber versichern, daß wir umfangreiche Untersuchungen zur Frage des Verursachers angestellt und abgeschlossen haben. Im März wurden diese Ergebnisse an das zuständige Landesministerium weitergegeben. Dort hat man aber bis heute noch nicht reagiert.“ [Also auch die Landesregierung reagiert nicht!].
Rußregen über Friemersheim nimmt nicht ab. (R. Zimmermann. WAZ Nr. 293/14.12.1991). Die Rheinhauser Bezirksvertretung tadelt dazu, „..., daß die vor Monaten auf Bürgerversammlungen zugesagten Detailmessungen in Friemersheim und speziell im Boden des Rheinvorlandes offenbar immer noch nicht erfolgt sind.“
Smogtage fehlen in der Statistik. Die Veröffentlichung von Umweltdaten verkommt zum Täuschungsmanöver. (M. Lefknecht [Leserbrief]. WAZ Nr. 45/22.02.1992).
Luftschadstoffe: Verzerrte Meßdaten. Betr.: ‚Schadstoff-Messungen ohne Aussagewert‘. (M. Schweres [Leserbrief]. WAZ Nr. 45/22.02.1992). „Reichen die Daten von nur vier Meßstationen aus, um ein repräsentatives Bild der Duisburger Luftbelastung zu geben? Eine der vier Meßstationen steht im äußersten Duisburger Westen in Kaldenhausen, nur wenige hundert Meter vom Lauersforster Wald entfernt. Vielleicht sollte die Landesregierung die Meßstation Duisburg-West auf den Hülser Berg verlegen. Da besteht wenigstens keine Gefahr mehr, daß sich die Bürger wegen überschrittener Grenzwerte um die Gesundheit ihrer Kinder und ihrer selbst sorgen und vielleicht den Politikern Feuern unter dem Hintern machen?!“
Veröffentlichungen über Luftqualität: Daten und Fakten schöngefärbt (H.-G. Clemens [Leserbrief]. WAZ Nr. 57/07.03.1992). „Als Beschwerdeführer in verschiedenen industriellen Genehmigungsverfahren habe ich schmerzlich erlebt, wie man Daten und Fakten in Duisburg schönfärben kann. Beteiligt daran waren die Stadtpolitiker, die Verwaltung bis hin zum Gesundheitsamt.“
Säuglings-Statistik. Lufbelastung verschwiegen. (P. Moses [Leserbrief]. WAZ Nr. 89/17.04.1993). „Bei der Säuglingssterblichkeit liegt Duisburg über dem Landesdurchschnitt; im Vergleich zu anderen Großstädten im oberen Drittel. ... Stadtteile mit ‚sozialer Problematik‘ weisen im allgemeinen auch die höchste Luftbelastung aus. Es gibt Städte, da beweist die engagierte Ärzteschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Zusammenhang zwischen Umweltbelastung und Säuglingssterblichkeit.“
Nach der Stillegung von Krupp-Stahl (1993) entspannte sich die Staubbelastung in Rheinhausen (Duisburg). Dafür gab es u. a. um die Firmen BUS und Sudamin MHD herum hochgefährliche Dioxinbelastungen sowie
weiterhin hohe Blei- und Cadmiumwerte, bis in das Blut untersuchter Kinder hinein. Die rot-grüne Landesregierung (Umweltministerin Bärbel Höhn) setzte positive Entlastungsakzente. Insgesamt nahm die Belastung durch die Industrie ab (G. Klinkhardt. WAZ Nr. 201). Aber „Die Hot Spots bleiben weiter Problemfälle“ (Ders.: WAZ Nr. 201/28.09.2004). Die Diskussion zur Staubbelastung in Duisburg brach erneut auf nach Umsetzung der EU-Vorgaben zur Feinstaubminderung in deutsches Recht (siehe den Entwurf zu „Feinstaub im Ruhrgebiet: ein unterdrücktes Problem“. Duisburg-Rheinhausen, 30.03.2005).‑ ‑
nachrichtlich: Matthias Oelkrug (NRZ-/WAZ-Redaktion, Duisburg-Rheinhausen) Josef Pogorzalek (RP-Redaktion, Duisburg-Rheinhausen) Gisela Komp, Umweltgruppe West
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