Windenergie setzt sich im Ruhrgebiet durch!
Mittwoch, 17. März 2010 12:34
Alter: 15 Jahre
Kategorie: Natur- und Umweltschutz
[Langfassung: unkorrigiert]
Vorgeschobene Einwände der großen EVU
Die mit Milliarden Euro aus überteuertem Stromverkauf finanziell bestens gerüstete Lobby der großen Energieversorgungsunternehmen (EVU) desinfor-miert seit Jahren die Bürger über die Chancen der Windenergienutzung. Kein Einwand ist den hochbezahlten Managern dabei zu dumm, um nicht doch vorgetragen zu werden. In zwei kleinen Schriften entkräftet der Deutsche Naturschutzring (DNR 2005 a und b) sechs der häufig vorgebrachten Scheinargumente (Einwände):
(1) „Windkraft und Landschaft. Einwand: ’Windräder ’verspargeln’ die Landschaft und verschandeln sie.’ Antwort: Windkraftanlagen sind technische Symbole einer nachhaltigen Energieversorgung. Wenn besonders naturnahe und außergewöhnlich schöne Landschaften ausgespart werden, beeinträchtigen sie die Umgebung nicht.“
(2) „Windkraft und die Kosten. Einwand: ’Windenergie ist zu teuer.’ Antwort: Berücksichtigt man die Folgekosten der fossilen Energieträger, so ist Windstrom schon heute billiger als konventionell erzeugter Strom.“
(3) „Windkraft in der Ökobilanz. Einwand: ’Windkraft hilft dem Klima nicht und ersetzt keine Kraftwerke.’ Antwort: Windenergie ist für den Klimaschutz schon heute unverzichtbar und reduziert die Betriebszeiten konventioneller Kraftwerke.“
(4) „Windkraft und Vogelschutz. Einwand: ’Windräder töten und vertreiben Vögel.’ Antwort: Die Windenergienutzung stellt kein großes Problem für die Vogel-welt dar. Voraussetzung ist, dass bedeutende Vogelbrut-, Rast- sowie Feucht-gebiete freigehalten werden.“
(5) „Windkraft und Schallschutz. Einwand: ’Windräder sind viel zu laut.’ Antwort: Bei ausreichenden Abständen zur Wohnbebauung geht von der Windenergienutzung keine Lärmbelästigung aus.“
(6) „Windkraft [Windenergie] und die Nebenwirkungen. Einwand: ’Schattenwurf, Infraschall und ’Disko-Effekt’ machen krank.’ Antwort: Bei richtiger Planung geht von Windenergieanlagen keinerlei krank machende Wirkung aus.“ (DNR 2005 a)
In einem „Themenpapier Windenergie“ fasst das Bundesumwelt-Ministerium acht Auswirkungen von onshore-Windenergie-Anlagen auf Mensch und Natur an Land zusammen; Fazit: alles technisch beherrschbar bzw. sogar zu vernach-lässigen (BMU 2006). Von diesen Erkenntnissen war in 2006 noch wenig bis in die Zeitungsredaktionen vorgedrungen, sonst hätten diese u. a. nicht gefragt: „Windkraft Fluch oder Segen?“ (Redaktion 2006 b). Die von Kraftwerk-Lobbyisten vorgetragenen Einwände, auf die in der Ver-gangenheit viele gutgläubige Bürger und Bürgerinnen hereinfielen, treffen in 2010 bei dem weiter fortgeschrittenen Stand der Windenergie-Technologie noch weniger zu.
Windenergie in der Diskussion vor Ort
Im Juni 2005 beantragte in Duisburg die CDU-Ratsfraktion, „bei der Genehmigung von neuen Windenergieanlagen scharfe Maßstäbe anzusetzen.“ Erst der Hinweis des Umweltdezernenten, der Antrag widerspreche gültigem Recht für Baugenehmigungen, ließ diese Windenergie-Gegner ihren Antrag zurückziehen (fen 2005). Bereits im September 2005 legte die schwarz-gelbe Landesregierung einen Erlass vor, der neue, hohe Hürden gegen den Bau derartiger Anlagen errichtete: „In Wäldern ist keine neue Anlage mehr erlaubt. Rekultivierte Halden sind nicht mehr ohne weiteres freigegeben; …“ (Szymaniak 2005). Noch im Dezember 2006 lehnten die FDP-Vertreter „Wegen Verschandelung der Landschaft …“ den Bau von Windenergieanlagen auf der Halde Loh-mannsheide ab (Redaktion 2006 a). Sogar noch in 2009, als längst mit der Neuansiedlung des Anlagenherstellers Eviag sowie mit dem nachdrücklichen Eintreten der Stadtwerke für alternative Energien ein Umdenkprozess in der Stadt Duisburg begonnen hatte, wurden diskutierte Umstellungen mit offensichtlich falschen Zahlen schlecht geredet. Das veraltete, kohlebefeuerte Heizkraftwerk (Leistung 144 Megawatt) der Stadtwerke könnte durch Windenergieanlagen ersetzt werden. „Um so viel Energie zu erzeugen, müssten 400 große Windkrafträder gebaut … werden.“ (Gerrits 2009. Vgl. Endell 2009). Dabei bieten bereits Repower und Multibrid Fünf-Megawatt-Turbinen an; Siemens setzt schon seit Jahren erfolgreich 3,6 MW-Windturbinen ein. Um die künftig zurückgenommene Kapazität des alten Kohlekraftwerks von 144 Megawatt zu ersetzen, wären demnach weniger als 30 Windenergieanlagen nötig! Die ließen sich beispielsweise weitgehend störungsfrei auf den vielen Halden aufstellen. Die heutigen Windenergieanlagen sind also viel leistungsfähiger, als das ihre Gegner (Rechenkünstler?) wahrhaben wollen.
Frischer Wind mit der Ansiedlung von Eviag
Mit der Überschrift „Im Hafen werden bald Windanlagen produziert“ (Mohrs 2009) wurde die Ansiedlung des Anlagenbauers Eviag angekündigt. Auf der Mercatorinsel im Duisburger Hafen sollen auf 20.000 qm Werksfläche eine 6.000 qm große Produktionshalle und ein Verwaltungsgebäude für die Produktion von Windenergie-Anlagen entstehen (Esser 2009).
Die Stimmung in der Stadtpolitik änderte sich auch wegen dieser Neuansied-lung (erwartet: 200 Arbeitsplätze für hochqualifizierte Fachkräfte, u. a. Inge-nieure). Bereits im Juni bringt die mit den Grünen regierende CDU im Umweltausschuss einen Antrag ein, das erwähnte 144 Megawatt-Kohle-kraftwerk durch Solar- bzw. Windenergie-Anlagen zu ersetzen, ein „… Richtungswechsel in der städtischen Energiepolitik …“ (Endell 2009). Und im Juli darauf äußert sich der Vorsitzende der Geschäftsführung der Stadtwerke: „Wir hatten die regenerativen Energien bislang nicht hinreichend im Blick.“ (Winterseel 2009). Die Fernwärmeversorgung ist auch mit den verbleibenden Kraftwerksblöcken gesichert, sodass der Kraftwerksersatz über regenerative Energien geschehen könnte, aus dem externen Energiemarkt heraus (Zukauf) und intern in Duisburg: „Auch in Duisburg sollen die Möglichkeiten ausgelotet werden: Biomasse, Windkraft und Photovoltaik sind Themen, …“ (Winterseel 2009). Es bleibt nicht bei Ankündigungen; bereits im Oktober vereinbaren die Stadtwerke mit dem Anlagenhersteller Eviag eine Kooperation für den Bau und das Testen von Windenergie-Anlagen, samt einem „regionalen Kompetenz-zentrum für Windkraft“ (Redaktion 2009).
Halden mit Windenergie-Anlagen und Pumpspeicher-Kraftwerken?
„In Duisburg sind die Möglichkeiten im Bereich Windenergien sehr begrenzt, …“ (Redaktion 2009), so äußerte sich zu den o. g. Kooperationsgesprächen der Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Duisburg AG. Damit spricht er nur aus, was bis vor kurzem unter Fachleuten die übliche Einschätzung war: Die geomorphologischen Gegebenheiten des Ruhrgebiets, sein aufgerautes, un-gleichmäßiges Geländeprofil erschwert die Aufstellung sowie die gleichmäßige Anströmung der Windräder.
Aber im Ruhrgebiet wurden 477 Steinkohlezechen (Hermann 2008) nachge-wiesen, die fast alle mehr oder weniger ausgedehnte und hohe Bergehalden hinterlassen haben. In einem kürzlich erschienenen „Haldenführer“ (Berke 2010) werden davon 52 Bergehalden aufgeführt; nur auf einer davon - der Halde Hoheward in Herten - steht eine Windenergieanlage. Sie ist gleichzeitig die höchste der dort aufgeführten Halden mit einem Niveau von 110 m über Umgebungsniveau (!). Weitere 15 für den Besucherverkehr freigegebene Halden weisen Höhe von 50 m und mehr über Umgebungsniveau aus. Hinzu kommen die Halden der Chemie- und der Stahlindustrie sowie die Bauschutt- und Mülldeponie-Halden der Kommunen und Kreise.
Diese Halden sind also bis „… 110 Meter hoch und, wie es intern bei der RAG heißt, mit Windverhältnissen wie auf dem Meer [!]. Ein idealer Platz, um Windkraftanlagen aufzustellen. … [Alleine] 40 geeignete Halden besitzt die RAG.“ (Wels 2010). Diese Erkenntnis ist nicht neu. Aus den Reihen örtlicher Umweltschützer wurde immer wieder gefordert, die vielen vorhandenen Halden ohne Vorurteile, offen und objektiv auf ihre Brauchbarkeit für die Errichtung von onshore-Windrädern zu prüfen. Mögliche Standfestigkeitsschwierigkeiten (bei nicht genügend verdichtetem Untergrund) sind im Verhältnis zu den Riesenproblemen der Sicherung von Standfestigkeit von offshore-Windenergie-Anlagen auf dem Meer technisch und finanziell beherrschbar - wenn die Politiker und die Energieanbieter es wollen!
Zumindest für die Öffentlichkeit neu ist aber der RAG-Vorschlag, den Neubau der Windräder auf den Halden mit Pumpspeicherwerken zu kombinieren. „Pumpspeicherwerk: Die RAG-Ingenieure haben eine Vision, und zwar eine, von der sämtliche Energieerzeuger träumen: Die Speicherung von Energie, um die Windenergie für Zeiten zu speichern, in denen sie benötigt wird. Und zwar im Ruhrgebiet, … . Ein See oben auf einer Abraumhalde, mit einer Million Kubikmeter Wasser, einem Untersee gut 20 Meter tiefer und einer Windanlage, die die Energie zum Hochpumpen des Wassers liefert - fertig ist das RAG-Pumpspeicherwerk. Zehn bis 20 Megawatt könnten so an die 500 Häuser mit Energie versorgen. Eine Vision, gewiss, auch hier führt RAG nach Informa-tionen dieser Zeitung bereits Gespräche mit RWE, EnBW und Steag. Für den ersten Energie-See haben sich die RAG-Leute die Halde Sundern bei Hamm, 60 Meter über Flur, ausgesucht. Acht bis zehn Halden wären derart nutzbar.“ (Wels 2010).
Die technischen Daten werden von Th. Wels wie folgt skizziert: Speicherseevolumen: 0,5 Mio m³ bis 1 Mio. m³ Fallhöhe: ab 20 m [bis über 100 m] Durchflussmenge: 50 m³/s Leistung: 10 MW bis 20 MW.
Wie ausgeführt, sind im Ruhrgebiet nicht nur die (Deponie-)Halden des Stein-kohlebergbaus (RAG) vorhanden. Viele weitere Halden sind nach diesem über-raschenden RAG-Vorstoß auf ihre Tauglichkeit für derartige kombinierte Windenergie-/Wasserkraftanlagen zu überprüfen. Gegen alle Unkenrufe der ewig Gestrigen (u. a. „Verspargelung der Landschaft“) sind derartige Chancen für eine wirkliche Energiewende hin zu alternativen Energien entschlossen zu nutzen. Die Widerstände aus der „Räterepublik“ (Betriebsräte, Aufsichtsräte, Beiräte, …) der großen Kohleverstromer und Atomenergienutzer werden weiterhin hoch sein. Ihr superprofitables Geschäftsmodell mit Milliardenge-winnen und Millionen an Vorstandsbezügen bei gleichzeitig überhöhten Energiepreisen ist in Gefahr - soll es doch!! ‑ ‑
- Dateien:
- 20100317_windenergie_setzt_sich_im_ruhrgebiet_durch.pdf76 K
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