Anmerkung zur Identifikation von Förderregionen in der "Gemeinschaftsaufgabe" Die Autoren grenzen drei Ebenen von Schwierigkeiten bei der Diagnose von Förderregionen ab: (1) Regionalisierungsproblem; (2) Selektionsproblem; (3) Gewichtungsproblem. (1) Regionalisierungsproblem: Z. B. dürfen bei der Abgrenzung von Arbeitsmarktregionen aus bekannten Gründen die Zentren nicht vom Umland getrennt werden (sind eigenständige wirtschaftliche Gebiete). Das ist aber der Fall bei der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (kurz: GRW) für Berlin, Dresden, Hannover, Köln und Saarbrücken. Die Festlegung dieser Systemgrenzen geschieht aber nach politischen Prämissen, ist also politisch gesteuert (letztlich nicht objektiv). (2) Selektionsproblem: Es wird dargestellt als "... Selektion von Variablen [= Indikatoren] ..., die die relative Benachteiligung von Räumen wiedergeben und zur Festlegung von Förderregionen dienen ..." [S. 5]. Für den Zeitraum 2007 bis 2013 werden vier Einzelindikatoren genannt, die miteinander multiplikativ verbunden werden. Die Festlegung dieser Indikatoren, seit Jahrzehnten diskutiert und kritisiert, ist ebenfalls eine politische Festlegung [S. 5]. Im Unterausschuss des Bundeswirtschaftsministeriums muss ein Kompromiss gefunden werden, statistische, wissenschaftliche Begründungen werden da zweitrangig. Dass auch andere Indikatoren bedeutsam sind, zeigen die Autoren mit ergänzenden Kennziffern (zu den vier GRW-Indikatoren) als "Alternative Berechnung zur Diagnose von Förderregionen" [S. 8ff. - vgl. Tab. 3: Verwendete Variablen, S. 8]. Wie die Autoren unter "Gewichtungsproblem" aufzeigen, sind diese GRW-Indikatoren aber nicht trennscharf voneinander abgegrenzt, sondern weisen wechselseitige Abhängigkeiten auf. "Da die ‚Arbeitsmarkt‘-Variablen den gleichen Sachverhalt messen wie die Erwerbstätigenprognose, addieren wir die politisch festgelegten Gewichte [Hervorh. v. Verf.] der Gemeinschaftsaufgabe für beide Bereiche auf." [S. 12]. Für den Indikator "Arbeitsmarkt" folgen die Autoren den üblichen (letztlich auch politisch vorgegebenen) Aussagen zu "... den schlechteren Arbeitsmarktbedingungen in Ostdeutschland ..." [S. 12]. Die Gendereinflüsse werden nicht problematisiert. Der Faktor "Einkommen" bleibt als Indikator (weil politisch vorgegeben) in dieser Untersuchung ebenfalls unhinterfragt. Wie sehr sich sein Einfluss verschöbe, wenn statt Nominaleinkommen preisbereinigte Realeinkommen erfasst würden, lässt sich leicht abschätzen. Bekanntlich werden - regional unterschiedlich - Kaufkraftrelationen zwischen 75/80 Prozent und 120/130 Prozent für Deutschland ermittelt. Da hilft ein höheres Gehalt in der Hochpreisstadt München nur wenig im Verhältnis zu einem etwas niedrigeren Einkommen beispielsweise in den Neuen Ländern. (3) Gewichtungsproblem: Wegen der politischen Setzungen zu (1) und (2) setzen sich die Autoren vor allem statistisch mit den ebenfalls politisch gesetzten Gewichtungen auseinander. Sie halten einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht stand. - "Die ‚Gemeinschaftsaufgabe‘ verwendet zur Bildung des Gesamtindikators eine wissenschaftlich nicht zulässige Skalentransformation." [S. 6] - "Die Einzelindikatoren weisen ... eine Abhängigkeit auf, ..." [S. 6] - "... bei der ... verwendeten multiplikativen Verknüpfung [führt] eine Korrelation der Einzelindikatoren dazu ..., dass eine unabhängige Gewichtung der Größen nicht Daher im "Resümee": "Gegen die ... vorgenommene Standardisierung der Einzelindikatoren [GRW] ... sind entscheidende methodische Einwände zu erheben. Hinzu kommt, dass die ‚Gemeinschaftsaufgabe‘ eine ‚Scheingewichtung‘ vornimmt, weil die Indikatoren stark miteinander korreliert sind." [S. 19]
Alternative Berechnung: Mit den politisch gesetzten Vorgaben zur Systemabgrenzung (= Regionalisierungsproblem) und zur Auswahl der Indikatoren (= Selektionsproblem) wagen die Autoren dennoch eine alternative Berechnung über eine Faktorenanalyse, die zu unabhängigen Dimensionen führt. Die Ergebnisse dieses Rankings führen - bei all den "Setzungen" nicht erstaunlich - zu nicht sehr abweichenden Ergebnissen. Allerdings entscheiden oft schon kleinere Abweichungen darüber, ob eine Region in der Förderung verbleibt oder aus ihr herausfällt. –
17.06.2007
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